Heinz Josef Klaßen . Vom Tanken und Leben im Ruhrgebiet
Bildende Kunst
Schon früh setzt sich Klaßen mit dem Leben im Ruhrgebiet auseinander und malt in seiner ganz eigenen Art und Weise Portraits von Tankstellen und Häusern, von Plätzen, Hinterhöfen, Unterführungen. Heute begegnen wir in seinen Bildern der eigenartigen Atmosphäre wieder, die wie eine Dunstglocke einst über dem Ruhrgebiet schwebte.
Weitere Themen wie Gegenstände des alltäglichen Lebens, die technischen Errungenschaften des immerfort andauernden Wirtschaftswachstums, dem Raubbau an den Rohstoffen und der Natur, dem Ausbau der Transportwege beschäftigten ihn nicht ohne vor den Folgen eines weiter so, zu mahnen. Inhaltlich befasste sich Klaßen bereits seit den 1970er Jahren mit den gerade heute hoch aktuellen Themen der Nachhaltigkeit, der Verschwendungsvermeidung, der Achtsamkeit und des Maßhaltens.
Themen, die uns und die junge Generation, die sich letztendlich nicht ohne Grund die "Letzte Generation" nennt, in Anbetracht des aktuellen Weltgeschehens mehr denn je beschäftigen.
Heinz Josef Klaßen Vom Tanken und Leben im Ruhrgebiet 13.08.-08.10.2023 cubus kunsthalle, duisburg Mit dem Begriff der künstlerischen Farbfotografie verbinden wir heute einen großen Namen: den von Andreas Gursky. Mit seinem ersten veröffentlichten Farbfoto, einem mit Farbnegativfilm abgelichteten E-Herd, erregt er im Jahr 1980 Aufsehen und sollte damit in die Annalen der Kunstgeschichte eingehen. Bereits 10 Jahre zuvor, indes, fotografiert Heinz Josef Klaßen mit Farbpositiv, also Diafilm, munter Flaschen- und Getränkeautomaten - damals für die Kunst völlig verpönt: in Farbe. Erste Farbfotografien sind bereits für 1959 belegt. Der 1936 in Meppen (Ems) geborene Heinz Josef Klaßen fotografiert ab 1970 in Essen, Duisburg und Umgebung. Die damals aufgenommenen rund 500 Dias im Kleinbild und Mittelformat werden 2015 von Klaßen wiederentdeckt, digital restauriert und in unterschiedlichen Formaten, zumeist in A4, A3 und A2 auf dem eigenen Drucker ausgedruckt. Dabei helfen ihm seine Malereien, die die einstigen Farben der Dias bis heute konservieren, die Farben der längst verblassten Diapositive wieder zum Leben zu erwecken. Anhand der Malereien gelingt es ihm heute, die Farben der eingescannten Dias im Fotoausdruck computergestützt zu rekonstruieren. Dies dürfte ein einmaliger Vorgang sein: nämlich die Farbwiederherstellung des Original Dias, anhand der Malerei, für die das Dia einst Pate stand! Klaßen inszeniert gekonnt den Alltag des Ruhrgebiets der 1970er Jahre, ohne die industrielle mühevolle Arbeit in den Fabriken, an den Hochöfen oder im Untertage Kohleabbau zu thematisieren. Ihn interessieren vielmehr Sonntagsspaziergänge mit den Kindern, Straßenszenen, Reklame, bunte Schaufenster mit ihren Puppen und Auslagen, von Neon erleuchtete bunte Nachtszenen, Bahnübergänge, Baustellen, Abbruch und Umbruch, freie Flächen, Brachen, Tankstellen, innerstädtische Einöden. Vieles erinnert an Filme mit US-amerikanischen Großstädten. In seinem Werk leben die 1970 Jahre wieder auf und lassen die älteren Betrachter in Erinnerungen schwelgen. Man erinnert sich gerne daran, als das Benzin noch 55,9 Pfennige pro Liter gekostet hat und Straßenbahnen als bewegte Werbeflächen die Straßen querten. „Auch „selbst tanken“ kommt damals erst so langsam in Mode. Heute ist der Tankwart fast nicht mehr existent.“, schreibt der Westen über eine seiner wenigen Ausstellungen. Wahlplakate, wie das der SPD, auf dem der damalige NRW Landesvater Heinz Kühn und der junge Helmut Schmidt den Slogan „Den Aufschwung wählen“ proklamieren, dokumentieren einerseits den damaligen Zeitgeist, spannen aber auch einen Bogen bis hin zur heutigen Realität. Andere Plakate, wie die mit dem ewigen Cowboy der rot-weißen Zigarettenmarke oder die mit dem braungebrannten Model, das für Delial Sonnencreme wirbt, sind gänzlich aufgrund der bekannten gesundheitlichen Schäden aus dem heutigen Stadtbild verschwunden. Viele seiner ausgewählten Orte gibt es nicht mehr, sind im Zuge der urbanen Entwicklung der Stadtplanung zum Opfer gefallen. Vor diesem Hintergrund haben heute seine Fotografien auch einen außergewöhnlichen dokumentarischen Wert. Manche Motive von Häuserkulissen, Parkplätzen, Unterführungen und Bahnübergängen existieren noch und haben sich kaum verändert. Die wenigen auf den Bildern vorkommenden Menschen verunsichern jedoch den Betrachter. Kleidung und Aussehen passen einfach nicht ins Heute. Manchmal ist es die Kleidung, oder eine Werbung, der Name einer Firma, oder ein Automodell, das den Bruch hervorruft. Und dann kommt dieses Aha Erlebnis, das die Arbeiten zeitlich einordnet und so einzigartig macht. Die Ausstellung in der cubus kunsthalle, duisburg zeigt unterschiedliche Themen des 87-jährigen, der auf ein langes künstlerisches Schaffen zurückblicken darf. Ausgehend von der fotorealistischen Malerei, die auf der amerikanischen Pop Art der 1970er Jahre basiert und der frühen Farbfotografie, die längst von dem Zweck zum Festhalten eines Motivs zu einer eigenständigen Form der künstlerischen Auseinandersetzung gefunden hat, zeigt die Ausstellung einige Holzskulpturen, die dabei eine eher flankierende Rolle spielen. Schon früh setzt sich Klaßen mit dem Leben im Ruhrgebiet auseinander, malt in seiner ganz eigenen Art und Weise Portraits von Tankstellen und Häusern, Plätzen und Hinterhöfen sowie Unterführungen. Heute begegnen wir in seinen Bildern der eigenartigen Atmosphäre, der Dunstglocke über dem Ruhrgebiet, wieder. Mittels dem seit der Renaissance bekannten Sfumato, einer Technik die sich wie ein unsichtbarer Schleier auf die Ölmalerei legt, wird diese Aura erzeugt, die den Betrachter in einer Art Schwebezustand entlässt, ohne dass sich Klaßen in irgendeiner Art und Weise in Form einer Deutung oder Wertung festlegen lässt. Diese altmeisterliche Malweise beherrscht Klaßen aufs Feinste. Als den Edward Hopper des Ruhrgebiets könnte man ihn in Anbetracht dieser Meisterwerke der 1970er Jahre bedenkenlos beschreiben. Daneben thematisiert er in den Jahren danach auch die industrielle und technische Revolution und ihre Auswirkungen, die Gegenstände des täglichen Lebens, die Automatisierung, die Werbung, Plätze, Straßen und Transportwege, Rohstoffe, den Verkehr und Massentransport. Auf dieses breite Spektrum der künstlerischen Auseinandersetzung kann Klaßen zurecht mit Stolz zurückblicken. Heinz Josef Klaßen studierte Kunsterziehung und Philosophie an der Kunstakademie Mainz und war 1966 bis 2000 neben seiner künstlerischen Tätigkeit Lehrer am Alfred-Krupp-Gymnasium in Essen. 2019 übernimmt das Fotoarchiv des Ruhrmuseums rund 300 Kleinbild- und Mittelformat-Dias, um damit das Essen der 1970 – 80 er Jahre zu dokumentieren. Bis Ende September lief die Ausstellung „Die weite Stadt“ im Ruhr Museum Zeche Zollverein. Dr. Claudia Schaefer
Veranstaltungsort
Cubus Kunsthalle
Friedrich-Wilhelm-Straße 64, 47051 Duisburg49 203 262 36
http://www.cubus-kunsthalle.de/
https://www.facebook.com/cubuskunsthalle/
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